Die Rede von Bundesministerin Lisa Paus, MdB im Livemitschnitt
Lesen Sie hier die Rede von Bundesministerin Lisa Paus, MdB
Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Zuhörende - ob analog oder digital,
125 Jahre Caritas - das ist wahrlich ein Grund zu feiern! Und es freut mich sehr, heute hier in der St. Elisabethkirche mit Ihnen feiern zu können - danke für Ihre Einladung!
Am 08. November 1897 hob Lorenz Werthmann den deutschen Caritasverband aus der Taufe. Er schuf ein gemeinsames Dach. Für Kindergärten, Krankenhäuser und Beratungsstellen. Für unzählige Frauen und Männer, die in Nächstenliebe Not sahen und handelten.
Diese Haltung trägt die Caritas bis heute. Sie leitet nicht nur die
693.082 Menschen, die hauptberuflich für die Caritas tätig sind. Sondern auch Hunderttausende freiwillig Engagierte.
Sie, die Mitarbeiter*innen der Caritas, schauen und hören gerade sicher nicht alle zu. Trotzdem ist es mir wichtig, Ihnen auf diesem Weg meinen Dank und meine Wertschätzung mitzugeben. Sie tragen nicht nur das Dach des Caritasverbandes. Sie tragen ebenso unsere Gesellschaft. Sie geben unseren Werten Gewicht und ein Gesicht.
Ihr Jubiläumsjahr hat das Motto: Das machen wir gemeinsam. Das machen wir gemeinsam, das steht für die Vielfalt im Caritasverband. Von der Kleiderkammer in Flensburg bis zum Freiwilligenzentrum in Oberammergau. Von der Senioren-Tagespflege in der Eifel bis zur Kita in der Lausitz.
Das machen wir gemeinsam ist aber auch eine Haltung, die uns verbindet: Wir schaffen mehr, wenn wir zusammenhalten.
Das sage ich nicht nur hier. Ich werde auch nicht müde, meine Kolleginnen und Kollegen im Bundestag daran zu erinnern. Denn - wir sollten unsere Zeit nicht vertun, um zu spalten und das Trennende zum Markenkern erklären. Sondern zusammen nach Lösungen suchen und anpacken.
Aber wem sage ich das! Sie leben das längst. Dass Sie ein guter Partner zum Anpacken sind, erleben wir im Familienministerium täglich.
Genauso lange, wie es das Familienministerium gibt, gibt es die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit der Caritas. Beginnend mit dem ersten Familienminister Franz-Josef Wuermeling, dessen Vater Bernhard den Caritasverband mitgegründet hatte.
Wir brauchen die Caritas, wir brauchen die Freie Wohlfahrtspflege. Denn der Staat kann diese Art Fürsorge unmöglich allein leisten. Es kommt auf das Engagement und den Zusammenhalt aller an!
In unserer langen und vertrauensvollen Zusammenarbeit will ich in den nächsten Minuten unseren Blick auf drei Schlaglichter lenken.
"Himmel und Erde - Das machen wir gemeinsam." - so der Titel des Festakts heute. Was bedeutet das für mich? Ihr und mein Blick auf den Himmel ist gewiss unterschiedlich. Eines aber haben wir sicher gemeinsam: Solidarität, Respekt und Gerechtigkeit. Unsere Werte.
Unseren Horizont.
Und der ist auch bei mir religiös geprägt: Franz von Assisi und meine Namenspatronin Elisabeth von Thüringen haben mich mit ihrem unermüdlichen, fast stoischen Streben nach Gerechtigkeit inspiriert.
Darum ist mir dieses erste Schlaglicht besonders wichtig: Unser gemeinsamer Einsatz für Gerechtigkeit. Und gegen Armut.
Der Caritasverband war darin der Politik oft einen Schritt voraus. Denn bis in die 90er galt in der Bundesrepublik: Armut gibt es nicht. Wir haben schließlich eine soziale Absicherung, die funktioniert!
Dem haben Sie laut widersprochen. 1993 haben Sie unter dem Titel
"Arme unter uns" für eine Studie 4.000 Hilfesuchende und 3.000 Mitarbeitende befragt. Ein Exemplar habe ich heute mitgebracht.
Ihre Studie ist heute alles andere als Kalter Kaffee. 30 Jahre später wissen wir, dass jedes fünfte Kind in DEU in Armut aufwächst - in Ballungszentren sogar jedes Vierte!
Ich will, dass diese Kinder besser ins Leben starten können. Dass sie die Leistungen erhalten, die ihnen zustehen! Deshalb kämpfe ich für die Kindergrundsicherung. Sie ist die zentrale sozialpolitische Reform dieser Wahlperiode! Mit ihr bringt der Staat Unterstützungsleistungen für Kinder proaktiv und in einfacher Weise an die Familien heran - er informiert, was ihnen zusteht.
Ich bin froh, Sie dabei an meiner Seite zu wissen. Sie haben sich am Verbändeaustausch im November beteiligt. Und Ende des Jahres schriftlich Stellung bezogen. Wir brauchen Sie als kritische Verbündete, damit wir vorankommen. Und die Kindergrundsicherung 2025 ausgezahlt werden kann.
Erst recht jetzt ist es mir wichtig, Kinder und Jugendliche zu unterstützen. Erst recht jetzt - in Zeiten, in denen wir mit den Folgen der Klimakrise, der Energieknappheit, des Fachkräftemangels und eines brutalen Angriffskrieges in Europa umgehen müssen.
Und damit komme ich zu meinem zweiten Schlaglicht - unserem Umgang mit Krisen und der Bedeutung von freiwilligem Engagement.
Das machen wir gemeinsam gilt auch hier. Denn der Caritasverband kann Krise. Das haben Sie bewiesen, als sie in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg gleich wieder am Platz waren.
Ich habe einen Aufruf zur Caritas Haus- und Straßensammlung aus dem Jahr 1949 dabei. "Tuet Gutes Allen" heißt es. Und so war es. Tausende Engagierte unterstützten Menschen in Not. Sie betrieben Notküchen, organisierten Familienzusammenführungen und versorgten alte und kranke Menschen.
Auch in der jüngsten Vergangenheit war die Caritas am Platz, wenn
"Krise" auf der Tagesordnung stand: Als 2015 fast 900.000 Geflüchtete nach Deutschland kamen, engagierten sich Tausende Menschen freiwillig. Und die Caritas wurde nicht müde, in der aufgeheizten Debatte einen gemäßigten Ton einzufordern.
Heute bringen gestiegene Lebensmittelpreise und Energiekosten Familien mit geringem Einkommen in finanzielle Bedrängnis. Darum haben wir hier politisch nachgesteuert - und beim Kindergeld, beim Kinderzuschlag, beim Bürgergeld Einiges erreicht. Gleichzeitig federn wir die stark gestiegenen Preise für Bürgerinnen und Bürger mit der Gas- und Strompreisbremse ab.
Sie, liebe Frau Welskop-Deffaa, haben sich auch hier eingesetzt und in der Kommission Gas und Wärme mitgearbeitet.
Ebenso hat Ihr Verband die Klimakrise im Blick. Ihr Ziel: Die Caritas soll bis 2030 klimaneutral sein. Und Klimaschutz sozial gerecht gestaltet werden.
Zurzeit ächzen auch die Wohlfahrtsverbände unter den steigenden Energie- und Lebensmittelkosten. Bei allen Unterstützungsmaßnahmen haben wir uns für Ihre Einrichtungen eingesetzt. Und arbeiten mit Hochdruck daran, eine Härtefallregelung für Soziale Träger an den Start zu bringen. Damit sichern wir, dass Engagement weitergelebt werden kann.
Liebe Zuhörende, jede von Ihnen, die sich schon einmal freiwillig engagiert hat, weiß: Engagement ist kein Selbstläufer. Wenn wir Engagement fördern und Menschen motivieren wollen, braucht es Begleitung und Anerkennung. Und Unterstützung durch Verwaltung und Politik.
Engagement verändert sich. Nicht nur, aber auch durch die Digitalisierung. Das wissen Sie bei der Caritas schon lange.
In der Politik müssen wir Schritt halten! Darum haben wir uns in der Ampelkoalition vorgenommen, die Engagement-Strategie des Bundes neu aufzulegen. Wir bauen dabei auch auf Ihre Expertise! Denn Sie melden sich in Sachen Engagement zu Wort - etwa zum Pflichtdienst für junge Menschen. Ich finde: Eine Dienstpflicht ist ein Eingriff in die individuelle Freiheit junger Menschen und führt nicht zu überzeugtem Engagement. Danke, liebe Frau Welskop-Deffaa, dass Sie Ihre Stimme für die junge Generation erheben. Sie mahnen zurecht an, dass die Diskussion um soziales Engagement alle Generationen betreffen muss.
In meinem letzten Schlaglicht will ich auf die Situation älterer und pflegebedürftiger Menschen schauen. Die Caritas hat die Pflege seit ihrer Gründung auf dem Zettel. Sie hat Anfang der 70er Jahre den ersten ambulanten Pflegedienst Deutschlands gegründet - die Zentralstation St. Lioba in Worms. In der Festschrift zum 75-jährigen Jubiläum des Caritasverbandes ist nachzulesen, wie Sie die ambulante Pflege verändert haben. Ein Exemplar habe ich aus unserer Bibliothek mitgebracht.
50 Jahre später lebten in Deutschland rund 4,6 Mio. Pflegebedürftige. Vier von fünf werden aktuell zu Hause versorgt. Egal ob in den eigenen vier Wänden oder in einer stationären Einrichtung - es braucht motivierte und gut ausgebildete Pflegekräfte!
Deshalb war es richtig, eine neue generalistische Pflegeausbildung einzuführen: Dafür hat sich auch die Caritas seinerzeit eingesetzt. Wir haben die Ausbildung attraktiver gemacht und den Beruf aufgewertet.
Die Caritas ist auch eine wichtige Partnerin in der Ausbildungsoffensive Pflege. Denn an mehr als 100 Pflege- Fachschulen in ganz Deutschland bildet sie aus.
Wir sind auf einem guten Weg. Am Jahresende 2021 waren rund 7 Prozent mehr zukünftige Pflegekräfte im ersten Ausbildungsjahr als im Vorjahr. Das ist unser gemeinsamer Erfolg.
Liebe Zuhörende, genauso wollen wir in den nächsten Jahren weitermachen. Mit dem Koalitionsvertrag haben wir uns vorgenommen, gemeinsam mit den Kirchen zu prüfen, inwiefern das kirchliche dem staatlichen Arbeitsrecht angeglichen werden kann. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ist dabei, den Prozess zu strukturieren. Gleichzeitig hat die Bewegung Out in Church seit einem Jahr mit dazu beigetragen, dass sich die Gremien der katholischen Kirche auf den Weg gemacht haben. Lieber Herr Dr. Bätzing, wir sehen Ihre wichtigen Schritte. Und blicken aufmerksam auf die weitere Entwicklung.
Auch an anderer Stelle ist Wandel spürbar. Ich freue mich, dass im Vorstand der Caritas bald zwei Frauen vertreten sind.
Liebe Frau Dr. Pauser, wie schön, dass Sie ab ersten Februar das Team mit Frau Welskop-Deffaa und Herrn Hucko komplettieren! Als Gleichstellungsministerin freue ich mich über die super Quote von 66 % in ihrem Vorstand. Wer hätte vor einigen Jahrzehnten gedacht, dass gerade die Caritas 2023 diese Vorbildfunktion einnimmt? Schließlich hat es schlappe 124 Jahre gedauert, bis die erste Präsidentin in Amt und Würden kam.
Liebe Frau Welskop-Deffaa, als ehemalige Leiterin der Gleichstellungsabteilung im Familienministerium haben Sie bestimmt frischen Wind mitgebracht.
Mich stimmt das froh und hoffnungsvoll. Denn wenn wir sehen, dass Veränderung möglich ist, können wir Mut schöpfen und voller Energie weiterarbeiten.
Liebe Frau Dangarembga, ich freue mich, dass ich zumindest den Beginn Ihrer Rede dazu noch hören kann, bevor ich mich leider verabschieden muss.
Wir - Caritas und Familienministerium - werden in den nächsten Jahren sicher viel zusammen erreichen. Mit all unserer Energie, all unserem Mut. Ganz im Sinne Ihres Mottos: Das machen wir gemeinsam. Und jetzt freue ich mich auf den Austausch mit Ihnen, Herrn Hucko, und Ihnen, Herrn Groß.
Vielen Dank.